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Wenig ist besser als gar nichts – akutes Qualitätsmanagement statt umfassendem Qualitätsmanagement-System

Inhaltsverzeichnis

Arzthelferin schreibt ein Fragezeichen auf ein weißes Blatt Papier.

Eine paar gute Fragen!

Hohe Krankenstände in den Arztpraxen, großer Fachkräftemangel, hohe Personalfluktuation. Und das bei ständig steigenden Patientenzahlen. Für Qualitätsmanagement (kurz QM) hat in den Arztpraxen jetzt gerade wirklich keiner Zeit. Gesetzliche Verpflichtung hin oder her. Oder ist das vielleicht doch etwas zu kurzsichtig gedacht und die Praxen schaden sich mehr, als dass es nützt, indem sie alles zur Seite schieben, was nicht direkt mit der Patientenversorgung zu tun hat? Und was ist eigentlich dieses „Qualitätsmanagement (kurz QM)“? Könnte das QM vielleicht doch irgendwie den Arztpraxen nützen? Zumindest in Teilen?


Fast jeder niedergelassene Arzt weiß, dass er gesetzlich zum internen Qualitätsmanagement verpflichtet ist. Doch insgeheim fragen sich viele, was dieses „QM“ eigentlich ist, das der Gesetzgeber den Ärzten auferlegt hat und was sie davon haben sollen – außer zusätzlicher Arbeit und zusätzlichem Ärger. Welchen Nutzen niedergelassene Ärzte aus ihrem QM-System ziehen können, konnte man gut während der Corona-Pandemie beobachten: Praxen mit einem langjährigen QM-System sind im Durchschnitt besser durch die Krise gekommen als andere Praxen. Das liegt u.a. an den damit verbundenen und etablierten Kommunikationswegen und dem ausgebauten Hygienemanagement – Bestandteilen eines QM-Systems.

Trotzdem bleibt derzeit in den meisten Arztpraxen wenig bis keine Zeit ein vollständiges QM-System aufzubauen – der Personalmangel und der Druck durch die große Patientenanzahl sind einfach zu groß. Aber vielleicht muss es auch gar nicht sein, ein vollständiges QM-System aufzubauen, sondern nur Teile davon zu nutzen. Denn letztendlich handelt es sich bei Qualitätsmanagement um ein Werkzeug, um die eigene Praxis besser zu steuern, Abläufe nicht dem Zufall zu überlassen und dadurch gezielt verbessern zu können. Es hat große Überschneidungspunkte mit dem Praxismanagement, bezieht sich aber noch stärker nicht nur auf das Lenken überhaupt, sondern auf das Verbessern.


Erster Schritt zur Verbesserung: Gar kein QM vs. ein wenig QM

Möglicherweise gibt es einen Zwischenweg zwischen den Extremen „gar kein Qualitätsmanagementsystem“ oder gleich ein „voll ausgebautes Qualitätsmanagementsystem“ zu betreiben. Nicht alle Bestandteile eines Qualitätsmanagements sind gleich wichtig. Es gibt unerlässliche Bestandteile, nachrangige und periphere – wie in einem Uhrwerk auch nicht alle Zahnräder gleich groß und gleich wichtig sind. In jedem Fall ist es hilfreich, wenigstens etwas zu machen, als die Praxisabläufe dem Zufall zu überlassen. Es macht also Sinn, sich zumindest den wesentlichen Bestandteilen zu widmen – ich nenne sie auch Kern-Elemente des QMs – wie beispielsweise Teambesprechungen, gefolgt von Schulungen und Prozessoptimierungen.

Ein umfassendes QM-System benötigt sehr viel Zeit für die Ausarbeitung – Zeit, die die Praxen derzeit nicht haben.

Sich dagegen mit einzelnen QM-Elementen zu beschäftigen, zerlegt das Mammut „QM-System“ in kleine Scheibchen und macht es verdaulicher. Das bietet sich gerade jetzt an, wo die Praxen wenig zeitliche Ressourcen haben: 2-3 Stunden zur Reflexion über die eigene Praxis lassen sich auf jeden Fall immer finden. Vor allem, wenn sich danach die Praxisabläufe so verändern, dass sie wieder etwas erträglicher werden und zumindest in einem ersten kleinen Schritt zu der allseits gewünschten Entlastung für Ärzte und MFAs führen.


Schnelle Verbesserung der Gesamtsituation in den Arztpraxen

MFA am Schreibtisch

Das Wichtigste ist es, überhaupt mit der bewussten Steuerung der eigenen Praxis zu beginnen. Das muss im Übrigen auch nicht der Arzt selbst machen. Es reicht auch, wenn er z.B. die Erstkraft oder die Praxismanagerin dazu veranlasst.

Für den Anfang bieten sich vor allem folgende QM-Kern-Bestandteile für eine schnelle Verbesserung der Gesamtsituation an:

  1. Teambesprechungen,
  2. einzelne Schulungen und
  3. schrittweise Erstellen von Arbeitsanweisungen und Dienstanweisungen (Prozessmanagement)

1. Teambesprechungen – wieder ins Gespräch kommen

Teambesprechung - Ärzte und Mitarbeiter

Jede Praxis, die Teambesprechungen nur einmal im halben Jahr durchführt, unterschätzt die Macht der Kommunikation: Bietet die Praxis keine strukturierten Besprechungen, sucht sich das Kommunikationsbedürfnis selbst seinen Weg. Das geschieht in Form von informellen WhatsApp-Chats, Klatsch und Tratsch bei der Raucherpause, Kaffeepause zu zweit etc. 

So entstehen schnell Gerüchte, die dann mühsam wieder aus der Welt geschafft werden müssen, oder die zu Konflikten führen, bei denen am Ende nur noch die Kündigung einer Mitarbeiterin wieder Friede in die Praxis bringt. Das muss nicht sein.

Leider sind in vielen Praxen die etablierten Intervalle von Teambesprechungen über die Corona-Pandemie eingeschlafen, weil sich das Team nicht in der Gruppe treffen sollte. Mit den Verbesserungen der Gesamt-Situation haben aber viele Praxen die Teambesprechungen aber auch nicht wieder aufgenommen. Liegt es nur an der fehlenden Zeit? Oder waren auch die Inhalte der Teambesprechungen belanglos? Dann wird es Zeit, das Element „Teambesprechungen“ wieder neu zu entdecken.

Kurze, aber häufige Besprechungen des Teams ohne Anwesenheit von Patienten (!) sind eines der wirkungsvollsten Mittel, um alle Teammitglieder ins Boot zu holen, über aktuelle Themen zu informieren, Aufgaben zu verteilen und sich abzustimmen. Die Teambesprechungen sind auch der beste Ort, um gemeinsam Optimierungen der Praxisabläufe anzusprechen, zu besprechen und das Team – in Form von Mini-Schulungen – an wichtige Aspekte bei Datenschutz, Hygiene oder Arbeitsschutz zu erinnern oder Änderungen zu kommunizieren.


2. Zielführende Kommunikation mit den Patienten schulen

MFA in der Arztpraxis

Jeder Arzt und jede MFA redet täglich mit sehr vielen Patienten. Eine andere Frage ist es, wie zielführend diese Kommunikation ist. Denn viele Worte tun nicht immer ihre Wirkung. Die gewünschte Professionalität fehlt oft.

Eine freundliche, aber zielführende und konkrete Kommunikation ist jedoch schwieriger als gedacht – und sie wird weder den Ärzten noch den MFAs in der Ausbildung beigebracht. Daher müssen die Teams in den Praxen dazu geschult werden, um sich im Umgang mit den Patienten leichter zu tun.

Eine gute Kommunikation hat letztendlich große Auswirkungen auf ruhige, geordnete Praxisabläufe, einen geringeren Kraftaufwand in der Patientenbetreuung und zufriedenere, ausgeglichenere und professionellere Mitarbeiter.

Bei der Kommunikation geht es nicht nur darum, mit dem Patienten zu reden. Kommunikation kann auch schriftlich erfolgen. Allerdings sind die über und über mit Aushängen zugeklebten Eingangstüren zu vielen Arztpraxen kein gutes Beispiel dafür, die ich überall antreffe. Mir fallen da situationsbedingt in den Praxen immer diverse, andere und bessere Wege ein. Weniger und gezielter ist hier oft mehr.


3. Praxis-Prozesse neu denken

Ärzte und MFA schreiben die aktuellen Prozesse auf.

Thema der Teambesprechungen sollte auch immer wieder sein, wie die eigenen Praxisabläufe weiter optimiert werden können, um sich selbst zu entlasten. Wenn Mitarbeiter ansprechen können, was sie stört, kann sich anschließend das gesamte Team Gedanken machen, wie die Lösung aussehen könnte.

Optimierungen der Praxisabläufe können dabei sehr verschieden aussehen: Einerseits gibt es inzwischen zahlreiche kleine und große Entwicklungen digitaler Helfer wie Software für Terminbuchungsplattformen und Telefonassistenten, Warteschlangen-Funktionen und interne Chats für das Patientenverwaltungsprogramm.

Andererseits entstehen seit Jahren neue Berufsfelder und Berufe im Gesundheitswesen wie Praxismanager/-innen oder Praxis-Sekretär/-innen, die das medizinische Personal durch anderweitige Ausbildungen im Kaufmännischen oder im Projektmanagement von den administrativen Tätigkeiten entlasten, sodass Ärzte und MFAs tatsächlich wieder mehr Zeit für die Patienten haben. Der Irrglaube, nicht-medizinische Personal könnte unmöglich in Arztpraxen arbeite und verstehe auch die Abläufe gar nicht, wurde in meinem Kundenkreis schön öfter widerlegt. Ganz im Gegenteil: Diese neuen Mitarbeiter bringen Kompetenzen in die Praxis ein, die dort vorher einfach fehlten, weil sie geübter im Umgang mit dem Computer, in der Ablage und im Wiederauffinden von Informationen und in der Durchführung von Projekten sind.

Welche elektronischen Software-Unterstützungen oder neues, anders ausgebildetes Personal der einzelnen Praxen am meisten weiterhilft, muss dabei individuell betrachtet werden. Fest steht, dass sich die Berufsbilder im Gesundheitswesen in Zukunft weiter verändern werden und dass das nicht zum Schaden der Praxen ist. Ähnlich wie in der Industrie wird es in Zukunft nur wahrscheinlich eine stärkere Aufgabenteilung geben.


Ohne Mehraufwand

Natürlich sind Teambesprechungen, gezielte einzelne Schulungen und ausgewählte Prozessoptimierungen nur einige der Aspekte, aus denen das akute Qualitätsmanagement bestehen kann. Es ist ebenso denkbar, dass für Ihre Praxis zunächst die Durchführung einer Mitarbeiterbefragung sinnvoll ist, um überhaupt den Kern der Unzufriedenheit der Mitarbeiter aufzudecken. Oder ein anderes Kern-Element aus dem QM erweist sich als der größte Hebel für Ihre Praxis.

Der Aufbau eines Qualitätsmanagement-Systems dauert Tage und Wochen. Die Wirkung eines akutes QM-Systems entfaltet sich sofort.

Im Gegensatz zum zeitintensiven und langwierigen Aufbau eines vollständigen QM-Systems hat das akute Qualitätsmanagement dagegen den großen Vorteil, dass die Verbesserungen im Sinne des KVP (Kontinuierlichen Verbesserungsprozesses) viel kleiner, dafür aber direkter sind und so umgehend in der Praxis spürbar werden. Wie beim KVP gibt es nicht den einen großen Entwicklungsschritt, meist gefolgt von erneutem Stillstand, sondern zahlreiche kleine Schritte der Verbesserung, bis die Arbeitsweisen aus dem QM so mit dem Praxisalltag verschmolzen sind, das sie nicht

mehr davon zu trennen sind. Denn QM liefert letztendlich nur Werkzeuge wie Arbeitsanweisungen, Checklisten, Schulungen, Befragungen und Informationsfluss, mit denen der Praxisalltag einfacher gestaltet werden kann. Und mit der Zeit kann aus den einzelnen QM-Bausteinen doch das umfassende QM-System entstehen und die kleinen Zahnräder setzen sich zu einem laufenden Uhrwerk zusammen.

Weil für ein akutes QM-System bestehend aus vielen kleinen Schritten auch flexibler Zeit mit einer kürzeren Bearbeitungsdauer eingeräumt werden kann, fällt es in der Praxis auch aus zeitlichen Gesichtspunkten nicht so sehr ins Gewicht. Im Idealfall hat der Verbesserungsschritt sogar dazu geführt, dass die Entlastung der Ärzte und MFAs auch in einer zeitlichen Entlastung mündet.